Sunny und Alexandra

Sunny artikel
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Das Leben mit Hunden schreibt viele Geschichten. Manche sind schön, manche sind traurig. Das ist eine der traurigen.

 

Vor zehn Jahren hat alles idyllisch begonnen. Alexandra war 25, hatte einen guten Job und endlich die Möglichkeit, sich ihren Traum zu erfüllen. Einen Hund.
 
Alexandra wälzte Hundebücher und beschäftigte sich mit Rassen. Ein ausdauernder Begleiter für lange Wanderungen sollte es werden, ein intelligenter Kamerad mit rascher Auffassungsgabe, ein Hund, der bei ausreichender Beschäftigung mit seinem Menschen eine besonders tiefe Beziehung entwickelt. So stieß Alexandra auf den Australian Shepherd, fand eine Züchterin und nahm Sunny als Baby zu sich.
 
Wie es sich für eine ordentliche Hundemutter gehört hielt Alexandra mit der Züchterin Kontakt, um in der Erziehung des Hundes ja nichts falsch zu machen und sich die nötigen Tipps zu holen, aber irgendwie passten Ratschlägen wie „füttere sie nur aus der Hand und das Futter muss sie sich verdienen.“ oder „du bist der Rudelführer“ nicht mit dem zusammen, was Alexandra über Hundetraining gelesen hatte. Also suchte Alexandra Kontakt zu einer sehr guten Hundetrainerin und bekam die Bestätigung, dass Beziehung wichtiger ist als Erziehung und begann zu lernen, wie man ein schönes Miteinander erreichen kann.

 

Alexandra wird Hundetrainerin

 

Das Lernen mit dem Hund machte Spaß. So viel, dass Alexandra die Ausbildung zur Hundetrainerin absolvierte, die Sprache der Hunde lernte, erspürte, wie man richtig mit dem Hund kommuniziert und das alles auf eine positive und angenehme, für beide gewinnbringende Art.

 
Alexandra lernte auch, dass der Australian Shepherd kein Einfacher ist. Ein Arbeitshund, der seine Herde zusammen hält, ein besonders Aktiver, der seinem Herrn oder seiner Frau Energie, Sachverstand und Geduld abverlangt. Ein Vorsichtiger, der nicht gleich mit jedem kann. Ein Sensibler mit einer nicht besonders hohen Reizschwelle. Einer, auf den man bei der Begegnung mit anderen Hunden oder mit unberechenbaren Kindern ein Auge haben sollte.

 

Ein Kind kommt


Irgendwann wurde Alexandra schwanger. Gewollt, trotz der Bedenken wegen der möglichen Schwierigkeiten zwischen Hund und Kind. Mit dem eigenen Kind wird es schon anders sein und wenn man es gut vorbereitet... An der Vorbereitung ließ es Alexandra nicht fehlen. Sie übte mit Sunny, ging stundenlang mit dem leeren Kinderwagen spazieren, legte eine Puppe hinein, spielte Babygeräusche am Handy ab, übte das allein bleiben in einem anderen Raum, brachte Trenngitter an. Alles langsam aufgebaut und positiv verstärkt.
 
Das Training trug Früchte.  Nach der Geburt klappte alles ganz gut. Bis das Kind zu krabbeln und laufen anfing. Bewegung war für Sunny schon immer das Problem. Bewegung und ruhig liegen bleiben - kaum möglich.  Es gab viele Leckerlis. Entspannungstraining. Bachblüten. Aromatherapie. CBD Tropfen. Relaxodog. Thundershirts. Nichts half wirklich. Sunny knurrte und ging nach vor, selbst wenn ein Trenngitter, eine Tür und ein zusätzlich angebrachter Sichtschutz angebracht waren. Stress pur. Ist die Tür richtig zu, schließt das Trenngitter sicher? Als der Sohn nicht mehr im Kinderwagen sitzen bleiben wollte war es auch mit der Ruhe beim Spazieren gehen aus.
 
Alexandra suchte Hilfe, nahm Trainingsstunden, tauschte sich aus. Checkte diverse Blutwerte, schaute ob die Schilddrüse in Ordnung war. Sie klammerte sich an jeden Halm.

 

Anfang vom Ende


Dann kam der Tag als Alexandra und Sunny eine richtig blöde Hundebegegnung hatten.  Sunny konnte auf Abstand gut mit anderen Hunden. Aber wenn sie zu nahe kamen, dann war es an Alexandra, sich voll auf Sunny zu konzentrieren. Die beiden Hunde gerieten aneinander, da der andere ohne Leine war. Alexandra war zum Glück nicht allein. Sie wusste, sie hätte das nicht managen können. Und schon gar nicht mit Kind. Völlig ausgeschlossen. Katastrophal.
 
An diesem Tag brach Alexandra zusammen.  Der ganze Stress der  eineinhalb Jahre seit der Geburt kam heraus. Die Monate, die Alexandra nach der Geburt schwer krank war, mehrere Arzttermine in der Woche. Die Sorgen um den Sohn, weil nach der Geburt nicht alles ok schien. Dem Hund gerecht werden. Die Beziehung irgendwie aufrechterhalten. Aus. Tilt.
 
Sunny brauchte ein neues Zuhause. In ein Tierheim wollte Alexandra sie nicht geben. Sie hatte Angst, dass Sunny dort zerbricht. Also suchte sie im Internet nach neuen Eltern für ihren Hund. Vieles hat Alexandra an Reaktionen erwartet. Vielleicht sogar Hilfe. Was kommt ist ein shitstorm.
 
Sunny lebt heute bei Alexandras Oma. Die ist 80 Jahre alt und gesundheitlich nicht mehr gut beieinander. Niemand weiß, was dann kommt.
 
 

Warum ich die Geschichte erzählt habe

 

Bitte um Verständnis, dass ich anonym bleiben will, aber einen zweiten Shitstorm ertrage ich emotional nicht mehr. „Gib doch dein Kind her und nicht den Hund.“ „Du hättest eben kein Kind bekommen sollen.“ „Erschieß den Hund. Ein neues Zuhause findest du eh nicht.“ Das sind nur ein paar der Reaktionen aus dem Internetforum, in dem ich ein neues Zuhause für Sunny suchte. Es gibt noch ganz andere.

 
Mein direktes Umfeld reagierte gemischt, teils mitfühlend und verständnisvoll, oft aber auch sehr urteilend und wertend. So als hätte ich nicht alles versucht, als ob noch mehr Trenngitter, noch mehr Sichtschutz und noch mehr Beanspruchung meines Mannes die Sache noch zum Guten hätte wenden können. Als hätte ich die Entscheidung meinen Hund wegzugeben irgendwie leichtfertig getroffen. Wenn dein Hund stirbt und du um ihn trauerst, dann ist dir das Mitgefühl sicher. Wenn du um deinen Hund trauerst, weil du gezwungen warst ihn wegzugeben, dann bist du sehr allein.

 

Ein Teil der Verantwortung


Ich war plötzlich in einem Topf mit denen, die ihren Hund vor dem Tierheim anbinden oder die Katzen in der Schachtel abstellen  und alles was ich hier schreibe soll kein Freispruch für diese sein. Ich denke nach wie vor, dass es sich Menschen manchmal zu einfach machen. Dass sie leichtfertig und egoistisch entscheiden. Bei der Anschaffung des Tieres oder bei der Beendigung. Ein Tier aufzunehmen, heißt Verantwortung zu übernehmen für viele Jahre. Aber manchmal ist eben auch die Entscheidung für ein neues Zuhause Teil dieser Verantwortung.
 
Objektiv betrachtet halte ich meine Entscheidung für richtig. Es war nicht anders möglich. Mein Kind brauchte mich 24 Stunden am Tag. Es schlief keine Minute ohne mich. Meine Hündin lebte eigentlich nur noch hinter Gittern in einem eigenen Raum. Die Sicherheit des Kindes musste Vorrang haben. Gemeinsame Aktivitäten? So gut wie unmöglich. Freunde, Hundesitter? Alles probiert. Weder finanziell noch emotional eine Lösung. Mein Mann hatte chronische Schmerzen. Ich selbst war dauernd krank. Der Stress. Die unhaltbare und unlösbare Situation.
 
Und obwohl ich all das weiß, geht es mir schlecht damit. Es fühlt sich an, als hätte ich als Hundetrainerin versagt. Es fühlt sich an, als hätte ich wissen müssen, dass Kind und Hund in unserem Haushalt nicht gehen, obwohl es so viele glückliche Familien damit gibt. Es fühlt sich an, als  sei Sunny gestorben und ich wäre schuld daran. Ich würde gerne um sie trauern, aber ich habe das Gefühl, dass ich das nicht darf. Denn es war meine Entscheidung, dass sie nicht länger bei uns leben kann.
 
Sunny ist eine tolle Hündin. Sie hat mich viel gelehrt. Ich bin ihr auf ewig dankbar und ich weiß nun auch, man kann vieles richtig machen und trotzdem wird so eine Entscheidung notwendig. Ich hoffe einfach weiter, dass meine Maus ein zu Hause findet, wo sie genauso geliebt wird, wie von mir. Denn das wird sie. Und das wird sich nie ändern.
 
 
 
 
 
  
 
 
 

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