Wenn Senior-Katzen nicht mehr fressen wollen

Wenn Katzen nicht mehr fressen wollen, ist das immer ein Warnsignal.
(c) Photo: Hanish Narang auf Pixabay
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Ernährung, Verhalten, Senior-Katze, Appetitanreger, THC freie CBD-Hanf-Tropfen - News 15/05/21

  • Petdoctors Expertin Mag. Ingrid Harant - Erste Wiener Katzen Ambulanz 
  • Eine Änderung des Fressverhaltens ist Immer ein Warnsignal
  • Katzen haben, auch wenn sie hungern, einen hohen Eiweißbedarf
  • Wird der Bedarf nicht gedeckt wird Muskelmasse abgebaut
  • Appetitmangel kann auch Erkrankungszeichen sein.
  • Altersbedingter Geruchsverlust kann auch eine Rolle spielen.  

Frau P. kommt mit Silvie in die Ordination, einer zierlichen, 15jährigen Katzendame. Seit längerem frisst sie nur zögerlich, seit einer Woche fast nichts mehr. Zart sei sie immer gewesen, aber jetzt sei Silvie, so die Besitzerin ein Schatten ihres früheren Selbst und nur noch 2,34 kg schwer. Vermutlich hat Silvie - ihr früheres exaktes Gewicht ist nicht bekannt - in der letzten Zeit um die 800g verloren. Diese hohe Gewichtsreduktion kommt durch den extremen Abbau von Muskelmasse wie auch durch den, durch die verminderte Nahrungsaufnahme gestörten Flüssigkeitshaushalt. Als Erste Hilfe-Maßnahme wird Silvie infundiert. Das erleichtert auch - da wieder mehr Flüssigkeit im Organismus ist - die folgende Blutabnahme.

1. Abklärung möglicher Ursachen der hohen Gewichtsreduktion

  1. kein Durchfall,
  2. kein Erbrechen,
  3. der Bauchbereich ist nicht besonders schmerzhaft und
  4. die Zähne sind nicht so schlecht, dass der Appetitmangel damit erklärbar wäre.
  5. Blutbild und Ultraschall zeigen geringe, aber nicht dramatische Bauchspeicheldrüsen- und Nierenveränderungen.
  6. Weitere Auffälligkeiten, außer der Magerkeit, existieren keine. Was also tun, damit Silvie wieder frisst? 

2. Maßnahmen zur Anregung des Appetits:

Außer Infusionen, auch zur Vitaminversorgung, bekommt Silvie

  • einen Magenschutz,
  • etwas gegen Übelkeit und
  • eigens für Katzen produzierte, THC-freie CBD-Hanf-Tropfen, die schmerzlindernd und appetitanregend wirken.
  • Zudem wird ihr vorsichtig mit Hilfe einer Spritze Aufbaunahrung eingegeben.

Das Fressverhalten bessert sich, aber noch ist Silvie zurückhaltend: Den Durchbruch bringt schließlich ein speziell für Katzen entwickelter Appetitanreger auf Basis eines Psychopharmakons: Silvie bleibt heikel wie eh und je, frisst aber ausreichend, sodass sie nach zwei Monaten wieder 2,84 kg auf die Waage bringt.

Gelegentliche Infusionen erhält sie weiterhin, ebenso den Appetitanreger und die CBD -Tropfen, da sich durch die Schmerzstillung auch das Gangbild verbesserte - ältere Herrschaften haben schließlich zu 80 Prozent schmerzhafte Arthrosen und Abnutzungserscheinungen in den Gelenken.

3. Appetitverlust ist immer ein ernstes Warnsignal

Silvies Fall ist nicht ungewöhnlich: Ältere oder alte Katzen fressen oft schlechter als früher. Das ist ein immer Warnsignal - als Symptom von gesundheitlichen Problemen, aber auch als eine Veränderung, der in jedem Fall nachgegangen werden muss.

Fatal wäre also, einfach abzuwarten, bis der Stubentiger von selbst zum Napf geht. Weil:

  • Katzen haben, auch wenn sie hungern, einen hohen Eiweißbedarf, den der Organismus durch Abbau der Muskelmasse zu decken versucht.
  • Selbst wenn sie nach erfolgreicher Therapie der Grundleiden wieder ordentlich zulangen, kann die, altersbedingte zu wenig geforderte Muskulatur kaum wieder aufgebaut werden.
  • Je stärker der Muskelabbau, desto stärker auch der Verlust an Vitalität und Lebenskraft - und der lässt sich durch die frühzeitige Vermeidung von Mangelernährung verhindern.
  • Fatal ist es, ausbleibenden Appetit ausschließlich auf vorgerücktes Alter zu schieben.

Appetitmangel kann in jedem Alter Erkrankungszeichen sein:

  1. klassisch von Nierenveränderungen,
  2. aber auch von Bauchspeicheldrüsen- oder Magen-Darmentzündungen,
  3. Problemen mit der Leber oder
  4. im Nasen-Rachenraum,
  5. Schmerzen im Zahnbereich,
  6. orthopädische Beschwerden,
  7. Diabetes oder
  8. manchmal als Begleiterscheinung einer Schilddrüsenüberfunktion.
  9. Gerade bei Tieren im vorgerückten Alter treten einige dieser Erkrankungen sogar gleichzeitig auf und sind deswegen schwerer in Griff zu bekommen. 

Lässt sich keine solche Ursache entdecken, können altersbedingter Geruchsverlust oder eine plötzliche, unerklärliche Abneigungen gegen bisher beliebtes Futter eine Rolle spielen.

4. Erste Hilfe aus der Futterkrise:

  1. Haben Katzen tagelang nichts gefressen, ist im Notfall sogar die Ernährung über seine Sonde nötig - die Tiere müssen dafür allerdings auf Station. 
  2. Meist aber kommt der Hunger wieder, wenn sie durch Infusionen gestärkt und händisch gefüttert werden - oft am besten mit wohlschmeckendem, ihnen unbekanntem Futter, um mögliche Negativassoziationen auszuschließen.
  3. Entsprechende Medikamente verhindern Übelkeit, zu der es in diesem Stadium kommen kann. 
  4. Bewährt haben sich im Weiteren kleine, über den Tag verteilte, frische Portionen von unterschiedlicher Futtersorten - Pastete, Mousse oder Stückchen -, die die Katze noch nicht kennt.
  5. Auch Futter, das früher gemieden wurde, kann plötzlich wieder attraktiv sein.
  6. Das Feuchtfutter auf ca. 38° - also auf Körpertemperatur - zu erwärmen, intensiviert den Geruch und macht es akzeptabler.
  7. Trockenfutter schmeckt den Tieren am besten, wenn die Packung frisch geöffnet ist - dann ist der Duft am Verlockendsten.
  8. Daher empfiehlt es sich, kleine Packungen kaufen, sie fest zu verschließen und nicht zu lange geöffnet aufzubewahren. 
  9. Hilfreich sind auch neue oder mehrere Futterplätze - ruhig und stressfrei sollen sie ohnehin immer sein -
  10. und, wenn sonst noch nichts klappt, Fütterung aus der Hand samt Streicheleinheiten. 
  11. Auch Mini-Portionen von Mahlzeiten der KatzenhalterIn unter Beachtung der Vorsichtsmaßnahmen (nicht gewürzt oder stark gesalzen, frei von Milchprodukten, Zwiebel, Knoblauch, Rosinen oder Avocado) können Lust auf mehr machen;
  12. manche Tiere lieben auch Käse, Räucherlachs, Grillhuhn (die gewürzte Haut immer entfernen!) oder Schinken;
  13. bei rohem Fleisch immer auf die Hygiene achten.
  14. Oft reicht es aber, handelsübliche Leckerli unters Futter zu mischen.

5. Das Problem mit der Pille

Nicht ins Katzenfutter gehören schlecht schmeckende Medikamente - dadurch können die Tiere nachhaltig misstrauisch werden:

  • Pillen oder Tabletten lassen sich in Katzenstangerln oder
  • speziell für diese Zweck entwickelte, wohlschmeckenden Knetmassen wie „Easy Pill“ oder „Pill Assist“ verstecken; auch
  • Tabletteneingeber aus Kunststoff, die nach dem Prinzip einer Spritze funktionieren, sind eine Möglichkeit.
  • Idealer Weise wird das Tabletteneingabe schon bei jungen Tieren spielerisch geübt.
  • Wenn bei besonders gewitzten Stubentigern die üblichen Tricks nicht reichen, muss immer wieder Neues probiert werden. So können Medikamente, in winzige Fleischhäppchen gewickelt, auf Vorrat eingefroren und nach leichtem Antauen der Katze gefüttert werden. Die Kälte schwächt den Medikamentengeruch. 
  • Wird eine Tablette in Wasser aufgelöst, weil das Eingeben des Medikaments mit einer Spritze die einzige Möglichkeit ist, sollte eine möglichst kleine Menge Wasser, eventuell vermischt mit einem Flüssigsnack  oder dem dafür hergestellten „Add on“, verwendet werden, das diese vom Tier rasch geschluckt werden kann. Je mehr Wasser, desto größer die Gefahr, dass der üble Geschmack gespürt wird und die Katze zu speicheln beginnt. 
  • Sind mehrere Medikamente nötig, können diese übrigens auch in Leerkapseln aus der Apotheke verpackt werden, sodass nur eine einzige Kapsel eingegeben werden muss.

6. Abschließend noch ein paar Tipps:

Noch ein praktischer Hinweis aus der Praxis: Wie viel tatsächlich gefressen wird, lässt sich leicht feststellten, wenn die vorgesehen Menge inklusive Leckerli vor dem Füttern und später das übergelassene Futter gewogen wird. 

Und eine gute Nachricht: Der Appetitanreger, der Silvie geholfen hat, muss nicht mit oral eigegeben werden. Er ist seit kurzem auch in Österreich in Salbenform zugelassen, wird auf die Ohren aufgetragen und über die Haut aufgenommen.

Last but not least: nicht nur bei zickigen EsserInnen jede kleine Veränderung ernst nehmen, tierärztlich abklären lassen und entsprechende Maßnahmen befolgen. Und das nicht nur bei kätzischen Seniorinnen und Senioren, sondern auch Teens und Twens. 

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