Miau Geschichten (1945 bis 2001)
Traude Veran, Lyrikerin, Kulturjournalistin, Sozialarbeiterin - News 12/04/21
- Traude Veran 1934 in Wien geboren. Österreichische Schriftstellerin
- Sozialarbeiterin, Psychologin, Erwachsenenbildnerin, Lyrikerin, Kulturjournalistin und Lektorin,
- Sie wurde mehrfach ausgezeichnet unter anderem mit dem Goldenes Ehrenzeichen für Verdienste um die Republik Österreich
- Tiere begleiteten Traude Veran ihr ganzes Leben lang: ihre Katzen und ihre blinde, herzkranke Minischnauzerdame, der sie das Leben rettete.
Miau Geschichten von Traude Veran
1945: Minka
Wir waren ins Salzburgische geflüchtet, hatten dort eine einfache Wohnung gefunden. Der Sparherd besaß ein sehr langes Ofenrohr, es lief durch die ganze Küche. Zum Durchputzen schoben wir es aus dem Fenster auf das Vordach des Schupfens. Und die neugierige Minka wollte unbedingt wissen, wie es da drin im Dunkel aussieht.
Auf einmal hörten wir sie jämmerlich schreien: Sie stak in einem Rohrknie fest. Es war gar nicht so leicht, sie herauszubekommen; wir mussten das Rohr mehrmals kräftig aufstoßen. Arme Minka! Aus unserem schwarz-weißen Flaumi war ein Rußi geworden! Gegen das anschließende Bad mit Seifenflocken wehrte sie sich mit aller Kraft, was ihr aber nichts nützte. Noch tagelang kamen aus den kleinen Ohren und Nasenlöchern schwarze Rammel.
1963: Marie
Schön war sie ja nicht, diese magere Halbwüchsige. Aber das würden wir schon hinkriegen. Sie liebte das „Fischkino“; konnte lange Zeit unbewegt vor dem Aquarium liegen, nur die Schwanzspitze zuckte ab und an.
Auch die Urgroßmutter sah den Fischen gern zu und fühlte sich dabei von Marie gestört. Was konnten wir machen, sie war 93! Gutes Zureden und verschiedene Sitzanordnungen brachten nichts. Wir schoben das Aquarium in die Zimmermitte, so dass jede der beiden störrischen Damen eine eigene Langseite für ihren Beobachtungsposten in Anspruch nehmen konnte. Kein Erfolg.
Als wir die Uroma schließlich ertappten, wie sie versuchte, Maries Schwanz über der Flamme des Gasherds zu versengen, blieb uns nichts anderes übrig, als das Kätzchen wegzugeben.
Marie hat uns schrecklich gefehlt.
1970: Kantowsky
Seinen Namen hatte er von der Familie, der er „eigentlich“ gehörte. Er war ein wahrer Sir und auf uns nicht angewiesen, wie er meinte. Im Sommer durfte er mit uns in die Gebirgshütte; wenn wir gerade nicht da waren, quartierte er sich bei seiner Freundin, der Großmutter von der Nachbaralm, ein. Seine Lieblingsspeise waren Bachstelzen. Wenn diese Vögel hinter den Kühen auf nahrhafte Körner in den Kuhfladen lauerten, waren sie vor lauter Gier unvorsichtig – und so erwischte er sie. Natürlich wusste er genau, was wir davon hielten! Öfters, wenn wir gemütlich vor der Hütte saßen, raste er mit einem Vogel im Maul wie der Blitz zwischen uns hindurch und die Stiege hinauf, unsere empörten Rufe hinter sich lassend. Unter dem alten Bauernbett, das dort stand, kehrte ich einmal in der Woche eine Schaufel Vogelfedern hervor.
1978: Bibi
Jemand brachte die hübsche Glückskatze in einem völlig verdreckten Schuhkarton an: „Was soll ich denn mit der anfangen?“ – Bei uns lassen, natürlich: Wir hatten einen großen Garten. Abends, wenn ich im Bett las, lag sie auf meiner Decke, wo sich dann stets ein kreisrunder kleiner Schmutzfleck abzeichnete. Machte ich das Licht aus, begab Bibi sich auf Mäusejagd. Hörte sie morgens die Toilettenspülung rauschen, stand sie schon mauzend hinter der Kellertür und wollte herein. Leider hat sie auch Vögel gefangen. Unser Nachbar, ein alter Griesgram, hasste sie deswegen und hat sie schließlich vergiftet. Auch der Tierarzt konnte ihr nicht mehr helfen.
1990: Tassilo
Im Tierschutzhaus sagten sie uns, er habe Leukose und werde kaum älter als zwei Jahre werden. Nichtsdestotrotz wurde der Graugestromte 13 Jahre und brachte 8 kg auf die Waage. Die Hündin Cindy wog kaum 4 kg und hatte, wie man sieht, großen Respekt vor dem Tassilo. Für diesen mächtigen Kater ließen wir extra starke Metallgitter vor die Fenster der im dritten Stock gelegenen Wohnung montieren. Wenn schönes Wetter war, hing Tassilo mit weit ausgespannten Tatzen im Gitter, ließ sich die Sonne wohlig auf den Bauch scheinen und rührte sich nicht. Unsere Hausfrau, eine alte Dame, konnte ihm dabei stundenlang zusehen ; das sei für sie viel schöner und beruhigender als Fernsehen. Als sich unser alter Hund namens Bär anschickte, aus dieser Welt zu scheiden, legte sich Tassilo zu ihm und verließ ihn erst, nachdem der Bär seinen letzten Atemzug getan hatte.
2001: Jennifer
Sie war eigentlich eine vornehme Dame, eine Schildpatt-Perserkatze, trotzdem aber völlig verwahrlost, als man sie fand. Ich wollte ihr verfilztes Fell auskämmen, doch dagegen wehrte sie sich mit aller Kraft. Wir mussten zur Tierärztin – und als wir heimkamen, hatte ich eine halb geschorene Katze! Bald aber glänzte sie wieder prächtig.
Es war ein täglicher Machtkampf: Kaum lag meine Zeitung, der Standard, auf dem Schreibtisch, nahm Jennifer darauf Platz – sie war eben eine intellektuelle Mitbewohnerin und hielt nichts davon, dass ich das Kreuzworträtsel selber löste. Diese merkwürdige Katze hasste die freie Natur. Im Garten achtete sie sorgfältig darauf, ja nicht die betonierten Wege zu verlassen und sich vielleicht die Pfötchen in der Wiese schmutzig zu machen. Am liebsten ging sie in den Gängen unseres Hauses spazieren. Sie starb leider schon nach zwei Jahren an einem Tumor.
Traude Veran
ist Mitglied der Grazer Autorinnen Autoren Versammlung GAV, der Österreichischen Dialekt-Autorinnen Autoren Ö.D.A., der Österreichischen Haiku Gesellschaft und der
Deutschen Haiku-Gesellschaft.
An Auszeichnungen erhielt sie u.a.
- 1988: Goldenes Ehrenzeichen für Verdienste um die Republik Österreich
- 1994: Theodor-Körner-Förderpreis
- 1994: Theodor-Kery-Förderpreis
- 1996: Ptakodrák des Forum Petrovice (Tschechische Republik)
- 1997: Hermes-Lyrikpreis Bad Tatzmannsdorf
- 2001: Wilhelm-Zorn-Sonderpreis
- 2002: Wilhelm-Zorn-Preis
- 2012: Ü70-Preis der Hermes-Baby-Stiftung Zürich
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