Gerätemedizin und diagnostische Handarbeit
Von Dr. Karin Lorinson
Digitales Röntgen, Ultraschall, umfangreiche Labordiagnostik, Computertomographie, Endoskopie: Im Chirurgischen Zentrum für Kleintiere der Tierärzte Dr. Karin und Univ. Doz. Dr. Dragan Lorinson findet sich so ziemlich alles, was in der modernen Tiermedizin an Diagnosegeräten eingesetzt wird. Für Dr. Karin Lorinson kein Ersatz der traditionellen klinischen Untersuchung, sondern deren Weiterführung und Ergänzung.
Die Humanmedizin und in ihrem Schatten die Veterinärmedizin sollte nicht zu einer reinen Gerätemedizin verkommen, sagt Lorinson im Gespräch mit petdoctors. Selbstverständlich seien die modernen Verfahren der Diagnostik hilfreich und in vielen Fällen könnten Krankheiten nur auf diese Weise sicher und exakt diagnostiziert werden. Deswegen sollte man aber nicht auf die klinische Basisarbeit vergessen. Die adspektorische und palpatorische Untersuchung, also das Beobachten und Abtasten des Patienten, die Einbeziehung von Beobachtungen wie die Farbe der Schleimhäute, Puls- und Herzfrequenz oder die schlichte Messung der Körpertemperatur mit Hilfe des altehrwürdigen Fieberthermometers, das sind Parameter, die in der Regel die ersten aufschlussreichen Erkenntnisse liefern und in keiner Diagnose fehlen sollten.
Sogar bei orthopädischen Problemen sei eine Diagnosestellung durch Palpation mit und ohne Narkose möglich. Die Bildgebung mittels Röntgen oder Computertomographie sei dann unerlässlich, wenn sie der Operationsplanung diene oder wenn die orthopädische Untersuchung nicht exakt genug ist, wie beispielsweise in der Ellbogengelenksdysplasie.
Eine große Ausnahme stelle die Neurologie dar. In diesem Bereich führe die klinische Untersuchung mit neurologischen Tests zur Lokalisation des Problems, was aber die Liste der Verdachtsdiagnosen nur bedingt einschränke. Für eine exakte Diagnose seien Laboruntersuchungen wie auch bildgebende Verfahren oft zwingend notwendig, sagt Lorinson.
Die Vielzahl der diagnostischen Möglichkeiten führe nicht selten zu Schwierigkeiten bei der Interpretation der zur Verfügung stehenden Werte bzw. Bilder und in der Wahl der geeigneten Therapie. So stehe unterm Strich bei jedem Tierarzt die Berufserfahrung im Vordergrund, wenn es um die Festlegung sinnvoller Untersuchungsmethoden und um die richtigen Schlussfolgerungen aus den erhobenen Befunden geht, sagt Lorinson und stellt rhetorische Fragen: „Waren Sie schon einmal selbst bei einem Orthopäden, der Sie bzw. Ihr Bein tatsächlich untersucht und nicht nur die MRT-Bilder angeschaut hat? Gehen Sie selbst regelmäßig zur Gesunden-Untersuchung zu Ihrem Hausarzt, der noch den Bauch und die Halsgegend durchtastet, den arteriellen Puls am Bein prüft, einen Leistenbruch diagnostizieren kann und das alles ohne Gerätschaften?“
Weiterführende Untersuchungen – egal ob Labor, Endoskopie, Röntgen, Ultraschall oder Schnittbildverfahren – sind wertvoll, sollten einer vorangehenden klinischen Untersuchung aber nicht den Rang ablaufen, ist Lorinson überzeugt.
petdocotors-Expertin Dr. Karin Lorinson
Chirurgisches Zentrum für Kleintiere
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