Teil 1 Katzenkommunikation: Die Vielfalt des Miau

Verhaltensexpertin und Tierärztin Mag.a Ingrid Harant über Katzenkommunikation
(c) Photo: Petra Ohmer auf Pixabay
Teilen

Verhalten, Katzensprache, Lautsprache, Ingrid Harant,1. Wiener Katzenambulanz - Update [30|04|24]

  • Verhaltensexpertin und Tierärztin Mag.a Ingrid Harant über Katzenkommunikation. 
  • Katzen „sprechen“ mit dem ganzen Körper Katzen miauen mit unterschiedlicher Betonung und in verschiedenen Tonhöhen und Längen 
  • Verhaltensstörungen oder -veränderungen, langanhaltendes oder verstärktes „Reden“ 

Wenn Katzen doch nur reden könnten, denken viele TierhalterInnen in der Hoffnung, die angeblich so rätselhaften Wesen besser zu verstehen. Doch Katzen reden sehr wohl, aber in einer eigenen Sprache. Die ist auch nicht allzu rätselhaft, sondern auch von Menschen, die ihr Tier lieben und gut kennen, durchaus verstehbar.

1. Katzen-Grammatik:

Katzen „sprechen“ mit dem ganzen Körper - mit Ohren, Schwanz, Pfoten und natürlich durch Schnurren - ein Zeichen des Wohlgefühls, aber auch der Abgrenzung gegenüber anderen und der Selbstberuhigung - und durch Miauen, wobei auch dies unterschiedliche Bedeutung haben kann - je nach Situation, GesprächspartnerIn, Alter und Gesundheitszustand.

Genau genommen ist das „Miau“ Babysprache - der typische Ruf eines Kätzchens nach der Mutter. Später fällt diese Verständigungsmethode von Katze zu Katze weg. Es wird nur zum Verständigungsmittel von Katze zum Menschen. Manche Stubentiger führen richtige Gespräche mit ihren HalterInnen. Das liegt daran, dass wir Menschen vor allem sprachlich kommunizieren - Katzen machen sich das zu Nutze, wobei sich die verbale Kommunikationsfreude von Tier zu Tier unterscheidet.

2. Was Katzen sagen wollen:

  • Katzen miauen mit unterschiedlicher Betonung und in verschiedenen Tonhöhen und Längen, wobei jedes Tier dabei seinen eigenen „Dialekt“ hat, der an die Sprache der mitwohnenden Menschen angepasst wird.
  • Bestimmte Rassen - etwa Orientalen - gelten zudem als regelrechte Dauerredner, andere Tiere miauen völlig tonlos, indem sie das Maul nur öffnen, aber keinen Laut von sich geben.  
  • Außerdem singen Katzen, wenn sie auf Partnersuche sind, oder allein gelassen werden, während enthusiastische „Miaus“ Zuneigung gegenüber Frauchen oder Herrchen signalisiert. 
  • Durchdringender und häufiger vokalisieren - also „sprechen“ - Katzen mit zunehmendem Alter - übrigens sind rund zehn Prozent der Hauskatzen über zwölf Jahre alt- oder beginnen in der Nacht zu jaulen. Dieses Verhalten bestätigt eine britische Studie: Im Unterschied zu jüngeren Tieren vokalisieren SeniorInnen um 54 bis 66 Prozent mehr, ein Drittel davon vor allem nachts. 
  • Das Schreien und Jaulen älterer Katzen kann mit Demenz ähnlich wie Alzheimer zusammenhängen oder nur mit einer alterungsbedingten Verhaltenserkrankung, einer kognitiven Dysfunktion. Die Sinnesleistungen der Augen, Ohren und Nase nehmen ab und die Tiere nehmen daher ihre Umwelt anders wahr, sind verunsichert oder benehmen sich anders. Auch komplett taube Katze machen sich gerne durch Lautstärke bemerkbar - sie sind desorientiert, da sie die Umgebungsgeräusche nicht hören.
  • Nicht nur bei älteren Semestern kann verstärktes Vokalisieren aber auch ein klares Signal für Unbehagen sein wie Hunger, Einsamkeit, Vernachlässigung, Unterforderung oder Trennungsangst, unter der besonders ältere und weibliche Wohnungskatzen leiden. Das Angstverhalten ist oft mit Harnmarkieren, Zerstörungswut oder übermäßigem Putzen kombiniert.

3. Was alles noch dahinter stecken kann:

Verhaltensstörungen oder -veränderungen, langanhaltendes oder verstärktes „Reden“ können also an der Psyche liegen, aber auch an organischen Veränderungen oder beidem zusammen - die kognitive Dysfunktion ist dafür nur ein Beispiel. Erforderlich ist daher immer eine ärztliche Ursachenforschung, inklusive genauer Anamnese, Erfragen der Lebensbedingungen, möglicher Laboruntersuchungen oder bildgebender Verfahren.

  • So hat beispielsweise Bluthochdruck (Hypertonie) einen deutlichen Einfluss auf die Lebensqualität und das Verhalten, besonders auf das Vokalisieren. Der Blutdruckanstieg kann spontan, aufgrund von Nieren- Schilddrüsen- oder Herzleiden erfolgen.
  • Aber die chronische Niereninsuffizienz, die zu Flüssigkeitsmangel, einer damit verbundenen schlechteren Durchblutung und Selbstvergiftung - Urämie - führt, kann auch direkt das Lautgeben des Tiers beeinflussen. 
  • Ebenfalls belasten Hormonstörungen den Blutdruck, etwa bei einer der durch zu viel Wachstumshormone ausgelösten Akromegalie, beim Hyperaldosteronismus – hier wird die Wasserausscheidung über Hormone direkt beeinflusst - , dem Hyperadrenokortizismus -das ist ein zu viel an körpereigenen Kortison - oder Diabetes mellitus, der Zuckerkrankheit. Hier können die durch den Flüssigkeitsmangel reduzierte Durchblutung, die Nervenveränderungen und daraus resultierenden Muskelirritationen und Berührungsempfindlichkeiten das Schreien auslösen. Bei der Hyperthyreose, der Schilddrüsenüberfunktion belastet wiederum das übermäßig produzierte Schilddrüsenhormon das Gehirn; es kommt zu übertriebener Lebhaftigkeit, Unruhe, Aggression, dem Absatz großer Harnmengen und daher auch großen Durst – auch hier wirkt der Flüssigkeitsmangel direkt aufs Gehirn.
  • Aber auch Bewegungsschmerzen im Zuge von Gelenkveränderungen, der Osteoarthritis, die bei sechzig bis neunzig Prozent der mehr als zwölf Jahre alten Katzen auftreten, lassen die Tiere klagen. Häufig entsteht diese Erkrankung in den Schultern, den Ellbogen-, Hüft-, Knie- oder Sprunggelenken. Die Katzen zögern beim Absprung, schlafen mehr als sonst, haben nach dem Aufwachen einen steifen Gang oder putzen sich seltener. Das alles beginnt schleichend und wird daher oft übersehen - auch weil Katzen Schmerzen gut verbergen können und das vorgerückte Alter häufig als Grund für das veränderten Bewegungsmustern missverstanden wird.
  • Infektionskrankheiten wie FIV, FelV, FIP, Toxoplasmose können im Gehirn Veränderungen mache. Im Alter gibt es von diesen Krankheiten wieder einen Anstieg in der Häufigkeit, weil die sinkende Immunantwort das Auftreten dieser Erkrankungen weniger leicht verhindert.
  • Nicht zuletzt muss auch an Hirntumore wie Meningeome oder Lymphome gedacht werden, durch die die Tiere ihr Verhalten verändern, im Kreis gehen, unter epileptischen Anfällen und Verwirrtheit mit Schreien und Kreischen leiden. 
  • Und natürlich darf auch die ganze Bandbreite anderer möglicher Erkrankungen nicht vergessen werden - von Harnwegsproblemen mit oder ohne Steinbildung, Bauchspeicheldrüsenentzündung über Nieren- und Blasenschmerzen bis hin zu Magen-, Darm- und Leberleiden. Auch Übergewicht wird in diesem Zusammenhang immer wieder erwähnt.

Sind alle derartigen Ursachen ausgeschlossen, hilft nur eines:  Das Lebensumfeld des Stubentigers zu verbessern:

  1. durch mehr Beschäftigung, spielen, schmusen, Haarpflege oder andere Maßnahmen.
  2. So können mit speziellen Stoffen angereichertes Futter oder die Supplementierung von Nährstoffen wie essentiellen Fettsäuren, L-Carnitin oder Antioxidantien das kätzische Wohlbefinden verbessern. 
  3. Oft reichen auch kleine Interventionen - häufigere kleine Futtergaben, pflanzliche Medikamente zur Entspannung oder eine Therapie mit Wohlfühl-Pheromonen. 

In besonderen Fällen sind sogar leichte Psychopharmaka indiziert, die das Katzenleben tatsächlich wesentlich verbessern können - und in Folge auch die Menschen glücklich machen. Schließlich geht doch nicht über eine gepflegte Unterhaltung - auch mit dem eigenen Tier.

 

Dieser Beitrag von Mag. Ingrid Harant ist im Monatsmagazin „Tierfreund“ des Tierschutz Austria (davor  Wiener Tierschutzverein) erschienen. Wir dürfen ihn mit freundlicher Genehmigung der Autorin und des Tierschutz Austria (TSA) übernehmen.

Mag. Ingrid Harant ist Tierärztin und Gründerin der 1. Wiener Katzenambulanz. Sie schreibt über medizinische Themen und über das Verhalten von Katzen.
                                                       

Wenn Du gut findest, was wir machen, dann unterstütze uns!

Du hast gerade einen Artikel auf unserer Seite gelesen oder nach Hilfe gesucht? Unsere Infos und Tipps haben Dir geholfen? Du weißt jetzt, was Dein Vierbeiner braucht? Das hoffen wir!

Deshalb machen wir Petdoctors. Weil mehr Wissen über Gesundheit und Verhalten unserer Vierbeiner, Hund Katze & Co ein besseres Leben verschafft.

Wir möchten unsere Infos weiter kostenlos und ohne nervige Werbung anbieten. Dafür brauchen wir Deine Unterstützung. Jeder Beitrag hilft:

Du kannst den Spendenbetrag und die Häufigkeit der Spenden selbst bestimmen.

  • 5 €
  • 10 €
  • 20 €
  • Anderer Betrag

Du kannst auch entscheiden, ob Du einmalig oder regelmäßig spenden möchtest.

Du willst uns lieber direkt unterstützen? Unser Support-Konto lautet:
Petdoctors
IBAN: AT49 1100 0124 4251 4100
BIC: BKAUATWW

PETdoctors ist das wikiPETia für PETlovers * mehr als 2.000.000 User:innen informieren sich auf petdoctors und täglich werden es mehr * jeden Tag ein neuer Artikel, eine Petdoctors-, Pettrainers- und Tierspitalsuche für Notfälle * ein Newsletter * alles kostenlos & werbefrei.

Damit Du schneller findest, was Du suchst.